Matchball Bieker
Der Frühling kam und die Münchener trafen sich auf dem Tennis-Court. Ich war auch da. Und es hat mehr Spaß gebracht, als gedacht.
Journalist Bastian B. Bieker schreibt hier alle zwei Wochen über sein Leben, seine Freunde und alles, was ihn entweder begeistert oder aufregt. Zielt auf eine Pointe und trifft sicher daneben.
Es ist Montag, der 12. Mai 2025. 16.29 Uhr
"Marius, wir haben uns ja ewig nicht gesehen”, sagt die Frau mit langen braunen Haaren. Gucci-Tasche um den Hals, Gucci-Ballerinas an den Füßen, Gucci-Kind an der Hand. Dann wird Marius Bussi-Bussi-mäßig umarmt. Vorläufiger Höhepunkt des Tages: Die glattgestriegelten Haare der Frau verheddern sich in den Knöpfen der Jacke von Marius. Ach, wie peinlich, denke ich.
Einen perfekteren Start in den Tag beim ATP-Tennisturnier in München kann es nicht geben. Schon der Name des Clubs MTTC IPHITOS e.V. verspricht High-Society, Glamour, Champagner und Extravaganz.
Anfang April, bei sonnigen +20 Grad Celsius, lungern unzählige Familien auf dem Clubgelände am Englischen Garten, prügeln sich um die La-Roche-Posay-Sonnencremes am Glücksrad und den fluoreszierenden Allianz-Werbetaschen (von denen ich auch eine wollte, aber zu spät dran war).
Nachdem meine Begleitung und ich den Merch ausgecheckt haben (Fazit: “Sieht aus, als würde ich für ein Werbegeschenk bezahlen.”), saßen wir auf den Rängen, um den einen von uns (Henri Squire, Baujahr 2000, Duisburger Jung) gegen einen von denen (US-Amerikaner Learner Tien, geboren 2005) verlieren zu sehen. Hinter uns saßen zwei Herren (Alter irgendetwas zwischen 40 und 60 Jahren), zum Teil mit Frau und Kindern. So genau konnte man das nicht zuordnen. Sie waren in ihrer Hybris zu gleichen Teilen sympathisch wie unsympathisch.
Zuerst sprachen sie noch über Fußball: “Ich habe mich ja auch für die Champions League Tickets angemeldet, aber die kosten mittlerweile auch 650 Euro”, gefolgt von der Ansage an seine Tochter “Philippa, hast du dich eingecremt?” Ja, hatte sie. “Heute Abend spielt Bayern gegen Dortmund, das können wir beim Opa im Garten schauen.” Von dieser Idee war Philippa nicht so begeistert. Ob das wirklich sein müsse, Papa?
Danach stellten die beiden ein paar geniale Analysen und Beobachtungen auf, die ich jetzt ohne Wertung wiedergebe. Zu Henri Squire, der mehrere Punkte in Folge verloren hat: “Hier sieht man den Unterschied zu richtigen Profispielern, die legen nochmal mehr drauf.” Um ihn bei der nächsten Aktion zu loben: "Da hat er gut das Tempo rausgenommen!”, und seinen Aufschlag zu loben: “Boah, was ‘ne Fackel, eine richtige Peitsche.”
Der Höhepunkt der Konversation war dann die Aussage des einen “Ich habe meinem Schwager ein Bild vom Platz geschickt, [lacht sehr laut] und er schickt mir eins aus Monte Carlo zurück.” Worauf der andere meinte: “Da hat er gut gekontert.” Gekontert ist gut. Das war ein technisches K.o. die Tennis-Qualifikationsspiele in München-Schwabing mit dem ATP-Halbfinale in Monaco zu vergleichen. Just rich people things.
Trotzdem gibt es nichts Schöneres, als auf einem Klappstuhl in der Sonne zu sitzen, von allen Seiten ob des Metalls geblendet und gegrillt zu werden (Zitat meiner Begleitung: “Man fühlt sich hier wie eine Ofenkartoffel in Alufolie.”), man schaut links – rechts – links – rechts, wartet, bis einer der Spieler einen Punkt macht, stöhnt auf, wenn’s was wird, stöhnt noch lauter, wenn es nichts wird, klatscht und sagt “Oh man, das war gut.”
An diesem Samstag ist mir mal wieder ein laues Lüftchen vom guten Leben um die Nase geweht. Um das Ganze mit den Worten der beiden Männer hinter uns zu sagen: “In der nächsten Pause holen wir uns ein Bierchen.”
Es grüßt Sie herzlichst
Ihr Bastian B. Bieker